Für die Eltern

«Kinder aus der Klemme»: Ein Programm für hochkonflikthafte Eltern und ihre Kinder, nach Trennung und Scheidung

Was ist, wenn der Streit, der zum Ende der Beziehung und schliesslich der Partnerschaft geführt hat, nicht enden will? Wenn Kinder mit dem Konflikt am Küchentisch gross werden müssen? Wie sollen Eltern reagieren, wenn ihre Kinder immer vor dem Besuchsrecht Bauchschmerzen bekunden, wenn Mütter ihre Kinder nur mit schlechtem Gefühl zum Vater geben, oder aber wenn Väter von ihren Kindern Desinteresse erfahren und Anschuldigungen zu hören bekommen? Wie kann Müttern geholfen werden, die ihre Kinder nur noch zu den Feiertagen sehen dürfen, Grosseltern und Göttis/Gotten, die mit dem Ende der Ehe auch ihre Enkel oder Patenkinder nie mehr treffen? Bisher gab es ausser der Errichtung von Beistandschaften seitens KESB oder einer allfälligen Mediation nur wenig wirksame Mittel zum Umgang mit chronisch zerstrittenen Eltern und Familien.

Eltern sind die wichtigsten Vorbilder für ihre Kinder, wenn es um deren Vorstellungen von Familie, Liebe, Elternschaft und Partner­schaft geht. Kinder, die mit der Wahrnehmung eines ungelösten Konflikts auf Elternebene aufwachsen müssen, werden oft traurig, wütend und ängstlich. Die Eltern müssten sie jetzt beruhigen und unterstützen können, sie sind aber gleichzeitig die Quelle der grossen Unruhe. Und so sitzen Kinder in der Klemme. Als Folge davon entwickeln viele Kinder wütendes, oppositionelles Verhalten, verstummen oder sind deprimiert. Ist ihr inneres Gleichgewicht erschüttert, kann das auch zu Schlaf- und Konzentrati­onsstörungen, schulischem Leistungsabfall oder anderen Symptomen führen. Oftmals versuchen dann Eltern, ihren Kindern mit einer Therapie zur Linderung ihrer Symptome zu verhelfen. Sie lösen aber den wahren Grund für die Symptome – den Konflikt – nicht auf und so sind viele Therapien nicht wirkungsvoll.

Mit «Kinder aus der Klemme» versuchen wir, gemeinsam mit Eltern und Kindern einen Weg zu finden, der aus dem immer wiederkehrenden Streit, aus ihrem chronischen Konflikt herausführt. Da der Konflikt in vielen Fällen schon seit Jahren besteht und oft bereits vor der Trennung begonnen hat, ist das in der Regel harte Arbeit. Es ist ein Programm für die Kinder, die am meisten unter dem Konflikt leiden, aber unsere Erwartungen richten sich vor allem an die Eltern. Sie sind es, die etwas verändern müssen, damit sich die Situation, in der ihre Kinder aufwachsen, verbessert.

Wir arbeiten mit sechs Familien gleichzeitig: Die sechs Elternpaare, also zwölf getrennte Eltern, bilden eine Gruppe. Mit ihnen arbeiten drei Therapeut*innen.

Den Teufelskreis verlassen

Wir verlangen von den Eltern, dass sie sich voll und ganz dafür einsetzen, aus dem Teufelskreis ihrer Konfliktmuster herauszukommen. Das funktioniert, indem die Eltern die Aufmerksamkeit auf ihr eigenes Verhalten lenken und damit aufhören, auf den anderen Elternteil zu zeigen und einseitige Schuldzuweisungen zu machen. Wenn die Eltern herausfinden, wie sie selbst etwas ändern und dadurch die Konfliktmuster auflösen können, kann es ihnen gelingen, die andere Person loszulassen. Das ist eine enorme Herausforderung, lohnt sich aber für die Eltern sehr.

Die andere Gruppe besteht aus deren Kindern (ab einem Alter von vier Jahren). Die Kinder können hier miteinander ihre eigenen Kräfte und ihre Robustheit verstärken und nach Möglichkeiten suchen, wie sie mit ihrer Situation besser umgehen können. In der Kindergruppe sorgen zwei Kindertherapeut*innen für eine sichere Atmosphäre, in der die Kinder ihre Geschichten erzählen können, gestärkt und ermutigt werden.

Das Programm dauert sechs Monate. Die Familien kommen zu acht Gruppentreffen, die stets inklusive Pause zweieinhalb Stunden dauern. Vor Start des Gruppenprogramms bieten wir einen Netzwerkanlass an, bei dem sich Partner/innen, Eltern, Freunde und Interessierte informieren können, was wir mit den hochstrittigen Eltern planen und erarbeiten werden.

Das Programm mit dem niederländischen Namen Kinderen uit de Knel wurde entwickelt nach Ideen von Justine van Lawick & Margreet Visser vom Lorentzhuis und dem Traumazentrum für Kinder und Jugendliche (KJTC) in Haarlem, Niederlande. Es ist ein therapeutisch fundiertes Gruppenprogramm, befindet sich in den Niederlanden auf der Liste wirksamer Therapieverfahren und wurde bereits mehrfach wissenschaftlich evaluiert.

In mehrfacher Hinsicht das Programm innovativ und einzigartig: Es macht Arbeit mit Eltern in eskalierenden oder bereits hocheskalierten oder chronischen Trennungskonflikten möglich, beide Eltern und Kinder sind präsent und Familiennetzwerke werden aktiv einbezogen, um die Situation für die Kinder zu verbessern. Ein internationales Netzwerk mit Teams und dafür ausgebildeten Trainer*innen und Supervisor*innen in aktuell acht europäischen Ländern tauscht Erfahrungen aus und entwickelt das Programm weiter.

Für die Kinder und Jugendlichen

Liebes Kind, liebe Jugendliche, lieber Jugendliche

Du hast dieses Schreiben bekommen, weil deine Eltern in den Kurs «Kinder aus der Klemme» gehen werden und weil sie dir erklären sollen, was das ist.

«Kinder aus der Klemme» ist ein Kurs, den deine ganze Familie besuchen wird. Das heisst, deine beiden Eltern und auch du. Und wenn du denkst, dass das nicht möglich ist, weil deine Eltern schon lange nicht mehr zusammen sind, oder weil du Sorge hast, dass sie so viel streiten, dann möchten wir dir sagen, dass genau das der Grund ist, warum deine Familie jetzt in diesen Kurs kommt.

Deine Eltern wollen einen Weg finden, wie sie den Streit und den Stress zwischen ihnen endlich beenden können. Sie wissen, dass das sehr schwierig ist. Deine Mutter und dein Vater werden nicht allein sein, sie treffen dort zehn andere Eltern, die auch in den Kurs kommen, weil sie aufhören wollen zu streiten. Sie nehmen alle an der Elterngruppe teil.

Du wirst auch in den Kurs kommen, weil der Streit zwischen deinen Eltern für dich in den letzten Jahren sehr schlimm war. Du bist nicht das einzige Kind, welches von so einem grossen Streit betroffen gewesen ist. Deine Geschwister, aber auch andere Scheidungs- und Trennungskinder werden in den Kurs kommen. Ihr nehmt alle an der Kindergruppe teil.

Gemeinsam mit zwei Therapeutinnen wirst du an acht Abenden spielen, reden, Musik hören und mit anderen Kindern und Jugendlichen, die dasselbe erlebt haben wie du, zusammen sein. Wenn du deine Mutter oder deinen Vater lieber nicht sehen möchtest, werden dir die Therapeutinnen helfen, deine Gefühle zu formulieren und einen Weg zu finden, wie du das deinen Eltern klarmachen kannst. Zu Beginn der Gruppe, in der Pause und am Ende der Gruppensitzung siehst du deine Eltern in einem sicheren Rahmen.

Die Therapeutinnen haben viel Erfahrung in der Arbeit mit Kindern, wie du eines bist. Sie freuen sich sehr auf die Zeit mit dir. Du wirst bald zu einem Gespräch eingeladen, damit du sie kennenlernen kannst und ihnen Fragen stellen darfst.